Im alpinen Hinterland unweit des Bergdorfes Saint-Paul-de-Vence thront ein weiteres Künstlerstädtchen mit seinem unberührten Charme hoch oben auf einem Felsen vor der Côte d'Azur. Die Rede ist von der französischen Gemeinde Vence im Département Alpes-Maritimes, welche sich nördlich an seinen schnuckeligen Namensvetter reiht. Mit rund 20.000 Einwohnern - den Vençois - wie sie hier genannt werden, pflegt das Örtchen auf einer Fläche von 40 Quadratmetern ein eher authentischeres und beschaulicheres Leben abseits vom Touristentrubel. Im Jahre 1976 verlieh die Zeitschrift “National Geographic” diesem Plätzchen den Titel zur viertschönsten Gemeinde Europas. Davon wollten wir uns selbstverständlich im spätsommerlichen September auch überzeugen.
Aus Richtung Saint-Paul-de-Vence kommend, erreicht man die Gemeinde gerade einmal in knappen 10 Minuten. Parken könnt ihr am besten direkt vor den Toren der Altstadt, zum Beispiel in der “Av. Colonel Meyere” (M2).
Achtung: Parkticketziehen nicht vergessen!
Sobald ihr der “Av. Colonel Meyere” bis zum Ende folgt, begrüßt euch schon ein kleiner gotischer Torbogen - einer von vieren - welcher euch in das südfranzösische Gassenlabyrinth der Stadt eintauchen lässt. Denn die Altstadt ist seit dem 13. Jahrhundert von einer dicken Stadtmauer wie ein Kreis komplett umringt. Vence Geschichte geht weit bis ins tiefe Mittelalter zurück. Zunächst von ligurischen Kelten bewohnt, fanden 3 Jahrhunderte v. Chr. später die Römer ebenfalls gefallen an der Gemeinde und eroberten sie für ihr Römisches Reich. Kein Wunder, dass bis heute noch zahlreiche Funde aus dieser Zeit stammen. Nachdem sich das Christentum in Vence verbreitete und nach der Ernennung eines katholischen Bischofs, die Stadt zum Bistum erklärt wurde, galt sie bis zur Französischen Revolution als kleinste Diözese des Landes. Dank König Franz I. wurde die Stadt im Mittelalter optisch aufgehübscht und behielt vermutlich mit einigen Anpassungen an die Neuzeit, ihren Liebreiz bis heute. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs Vence Bedeutung in Sachen Wirtschaft und Kultur und zog nicht zuletzt berühmte Maler für künstlerische Inspirationen, wie beispielsweise Marc Chagall, an, sondern auch den deutsch-österreichischen Schauspieler Curd Jürgens, welcher sich hier seinen mediterranen Zweitwohnsitz erschuf.
Auch Touristen entdecken jedes Jahr die beschauliche Gemeinde für sich, jedoch befanden sich unter uns Weltenbummler nur sehr wenige. Beim Eintreten in Vence romantisches centre ville war alles so merkwürdig ruhig! Einsam verträumte Gassen, unbesuchte Läden, leere Cafés und Restaurants - hier steppte, anders als in Saint-Paul-de-Vence, scheinbar nicht der Bär. Doch genau diese Abwechslung genossen wir in vollen Zügen und nutzten diese besondere Gelegenheit durch das romantische Altstadtviertel zu spazieren. Auf dem glänzend sandsteinfarbenen Pflaster wandelnd, schlenderten wir durch verschlungene Gassen - eine schöner, als die andere. Urige Steinarchitektur prägten das Häuserbild, üppig bepflanzte Fassaden rankten über den Balkonen und verzierten mit Blumen und rustikalen Weinfässern die Eingangsbereiche der Wohnhäuser. Für Fotoliebhaber ein absoluter Traum!
Kleiner Tipp: Um Vence allgegenwärtigen Charme zu genießen, solltet ihr am besten im Spätsommer unter der Woche um die Mittagszeit herkommen. Denn dann sind in der Nachsaison weniger Touristen unterwegs, um die Authentizität der Gemeinde in voller Pracht entdecken zu können.
Auch wenn Vence nicht vor Sehenswürdigkeiten überquillt, entdeckt man auf seinem Spaziergang hin und wieder ein paar neckische Plätzchen, wie zum Beispiel die Aussichtsplattform “Belvédère Fernand Moutet” im Westen der kreisförmigen Altstadt. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick über die angrenzenden Berge, auf denen sich zahlreiche mediterrane Anwesen ins Grüne einbetten, denn das beschauliche Vence liegt mit seiner Fläche zum Teil im Regionalen “Naturpark Préalpes d’Azur”. Über die “Place du Frêne” abwärts gehend, passierten wir das “Musée de Vence” sowie eines der bekanntesten Stadttore “Porte de Peyra” mit dem dazugehörigen Brunnen “Fontaine de Peyra”, welcher seit 1822 hier seinen Platz hat. Angeblich sollen sich rund zwanzig weitere Brunnen neben diesen in Vence tummeln. Gezählt habe ich sie allerdings nicht. :)
Auf der Suche nach einem Café am Nachmittag landeten wir direkt auf dem großzügig angelegten “Place du Grand Jardin”. Beschattet vom Blätterdach der südfranzösischen Platanen, erlebten wir nun endlich mal entspannte Betriebsamkeit mit deutlich mehr Publikum. Vermutlich handelte es sich hier eher um Einheimische, die auf Gassenspaziergänge bei den heißen Temperaturen weniger Lust verspürten.
Einkehrtipp: Am schönsten ließ sich die Zeit für uns im Café “Maison Marc” vertreiben. Hier gönnten wir uns neben einem prickelnden Himbeer-Mojito und einem Milchkaffee, einen fruchtig-frischen Crêpes aus Passions- und Mangoeis, getoppt mit Obst, Sahne und Erdbeersoße. Doch Achtung! Wer in Frankreich einen “Kaffee” bestellt und eine ordentlich große Tasse wie in Deutschland erwartet, sollte sich auf eine kleine Mini-Espressotasse gefasst machen. Also lieber einen französischen “Café au Lait” (dt. Milchkaffee) bestellen. Die Rechnung (rund 23,00€) wurde uns übrigens in einem kleinen süßen Blumentöpfchen serviert.
Nach der süßen Stärkung im kühlen Schatten, traten wir über die Einkaufsstraße “Av. Marcellin Maurel” (M2) langsam den Heimweg an. Vorbei schlendernd an kleinen Boutiquen, duftenden Bäckereien und neckischen Cafés mit ihren typisch französischen Bistrostühlen, saugten wir ein letztes Mal für diesen Tag den ursprünglichen Charme der südfranzösischen Gemeinde auf. Vence ist auf jeden Fall einen Besuch für all diejenigen wert, die romantische Gassen, gepaart mit unverfälschter Kultur und authentischer Lebensart lieben.