Bunte Gassen, labyrinthartige Wasserkanäle, glitzernde Segelboote und romantische Brücken lassen seit nicht allzu langer Zeit ein paradiesisches Fleckchen an der Côte d’Azur in einem einzigartigen Charme glänzen. Dabei existierte der Ort vor geraumer Zeit noch nicht einmal auf unserer Landkarte. In der Bucht vor dem östlich gelegenen Saint-Tropez befindet sich im Départment Var der Gemeinde Grimaud die einzigartige Lagunenstadt Port Grimaud. Während gerade einmal 300 Einwohner hier stolze Besitzer eines Häuschens mit Boot sein dürfen, strömen jedes Jahr im Sommer rund 1 Millionen Besucher in die kleine Stadt. Auch wir waren gehörten dazu und tauchten in eine täuschend echte italienische Welt ein. Willkommen im “Klein Venedig der Provence”!
Aus Richtung unseres Urlaubsortes Villeneuve-Loubet kommend, erreicht ihr Port Grimaud am besten über die schnellste Route, der Autobahn (A8), in circa anderthalb Stunden. Wer sich die Hektik lieber sparen will, kann alternativ auch den Landweg zum Beispiel über die DN7, D8 und D559 einschlagen, oder aber auch die höher gelegene Bergroute via der D47 und D25 wählen. Hier solltet ihr allerdings eine Fahrtzeit von mindestens zwei Stunden einplanen. Wir entschieden uns für Letzteres, da uns die angeblich “schnellste” Route durch die vielen Küstenstädte zu Rush-Hour-Zeiten eine Ewigkeit gekostet hätte.
Hinweis: Die Bergtouren oberhalb der Côte d’Azur sind oftmals sehr steil und kurvig. Haltet hierbei unbedingt die örtliche Verkehrsgeschwindigkeit ein und riskiert keine rasanten Überholmanöver!
In der Lagunenstadt ankommend, könnt ihr euer Auto dann in der “Avenue de la Mer” auf dem Parkplatz “Parking Port Grimaud 1” abstellen. Dieser stellt den größten Parkplatz nahe der Stadt dar und ist von April bis Oktober gebührenpflichtig. Für unseren Kurzbesuch am Mittag zahlten wir rund 7,00€.
Unsere weitere Entdeckungsreise setzte sich zu Fuß fort. Denn Port Grimaud ist, bis auf wenige Ausnahmen, so gut wie autofrei. Hauptverkehrsmittel ist hier nämlich das Boot. Warum dies so ist, entdeckten wir mit eigenen Augen direkt beim Betreten der Stadt über die Brücke “Pont de la Poterne”, welches uns durch zwei Eingangstore auf die Hauptbrücke, die “Pont principal du Port Grimaud” und den belebten “Place du Marché” führte. Umgeben von schicken Lounges und Cafés, relaxten hier zahlreiche Touris in der vormittäglichen Sonne bei kühlen Drinks und leckeren Snacks. Doch für uns war noch nicht an Pause zu denken, wollten wir doch mehr über diesen besonderen Ort erfahren.
Die erste Attraktion wartete bereits auf dem sich angrenzenden “Place d’Église”. Auf dem von Pinien beschirmten Platz ragte die cremefarbene “Kirche des Heiligen Franz von Assisi” (frz: Église Saint-François-d'Assis) in den Himmel. Der schlichte Anblick von außen täuscht allerdings beim ersten Anblick. Denn die bunten Glasfenster wurden vom Künstler Victor Vasarely entworfen, dem Erfinder des Renault-Logos. Eine 78-stufige Wendeltreppe bietet gegen einen kleinen Eintritt von 1,00€ hoch oben auf dem Kirchturm eine spektakuläre Aussicht über die Hafenstadt. Dies ist auch die beste Gelegenheit, um sich einen ersten Überblick nach der Ankunft zu verschaffen.
Doch rings um uns herum sahen wir nur eins - Wasser, Brücken und jede Menge Boote. Insgesamt 14 Brücken gibt es hier. Waren wir etwa in Venedig? Man hätte es fast denken können. Wo einst noch Sumpfgebiet herrschte, welches hauptsächlich für die Landwirtschaft und Jagd genutzt wurde, liebäugelte der französische Architekt François Spoerry aus dem Elsass mit einer ganz anderen Idee für dieses Plätzchen. Inspiriert durch die griechischen und italienischen Häfen, denen der Visionär auf seinen Segeltouren begegnete, träumte er von Land und Meer als einheitliches Konzept und sammelte unterwegs Ideen für sein eigenes Projekt. Welche Stadt könnte da nicht besser zum Vorbild dienen als Venedig? Begeistert von der Idee, eine eigene Stadt zu kreieren, machte sich François ans Planen und Konzipieren. Ihm lag vor allem ein Dorf im Stile der Provence vereint mit einem sanften Tourismus am Herzen ohne monotone Betonbauten. Fortschrittlich war er zudem allemal und sammelte nicht nur Geld für sein Bauprojekt aus dem Bekanntenkreis ein, sondern auch recyclebares Material aus der umliegenden Landschaft. Dies spiegelt sich bis heute noch in der Architektur wider. Mit einfachen Häusern versuchte er in kleinen Schritten, das Lagunenland trocken zu legen und urbar zu machen. Zu Anfang noch von Skeptikern belächelt, wuchs das Projekt rasant an. Ferienorte mit einigen Ausnahmen von Straßen und Parkplätzen sorgten nach und nach für die nötige touristische Infrastruktur, da nicht jeder in Port Grimaud ein Boot besitzt. Dies kurbelte die Nachfrage des heutigen Urlaubsziels immens an und machte sich auch preislich bemerkbar. Bis zum Bauende stiegen die Kaufpreise hier um das Zwanzigfache an! Seit den 1960er Jahren besteht Port Grimaud nun aus vielen Tourismussiedlungen auf 12 verschiedenen Inseln. Eine neue postmoderne Planstadt war geboren!
Damit ist die Lagunenstadt ein weltweit einzigartiges und innovatives Konzept. Kein Wunder, dass sie seit dem 20. Jahrhundert als Kulturerbe ausgezeichnet wurde. Leider erlebte der erfolgreiche Architekt das Bauende nicht mehr und verstarb im Jahre 1999. Seine Grabstätte kann heute noch in der Kirche, auf dessen Aussichtsplattform wir uns befanden, besucht werden.
Neugierig, wie die Stadt nun “von unten” in ihrem Inneren aussah, machten wir uns zu Fuß auf einen entspannten Spaziergang durch die labyrinthartige Lagunenstadt. Wir folgten dem Weg wieder zurück Richtung Marktplatz, hielten uns rechter Hand und bogen auf die “Rue du Septentrion” ein, bis wir über den “Place des Six Canons” die “Grand Rue” erreichten, hinter der sich der Strand “Plage de Port Grimaud” direkt angrenzt. Dabei war eins schnell klar - die sich eng aneinanderreihenden Häuser überzeugten mit ihrer traditionell provenzalischen Bauform sowie einer angenehmen Höhe. Mit einem fast schon karibischen Mix aus zartrosé, türkis und salbeigrün sorgten die vielen bunten, pastellfarbenen Türen, Fensterläden und Garagentore für hübsche, fotogene Straßenzüge, an denen wir uns kaum sattsehen konnten.
Zwischen ihnen erhaschten wir immer wieder einen Blick aufs Wasser mit einsamen Bootsstegen und Anlegern für die hauseigenen Privatjachten und Segelboote. Wir schlenderten noch durch weitere äußerst gepflegte und verkehrsberuhigte Fußgängerzonen. Teilweise endeten unsere Wege jedoch, da aufgrund des seit diesem Jahrtausend steigenden Massentourismus einige Anwohner vor Schaulustigen bewahrt werden mussten und somit Straßen zum Teil für Touristen gesperrt sind.
Zurück auf der Hauptbrücke nahe des Marktplatzes wieder angekommen, machten die vielen Brücken, kreuzenden Kanäle, gusseisernen Laternen und stilvollen Arkadenreihen mit besonderem Liebreiz auf sich aufmerksam. Ich fühlte mich hier nicht nur wie in Venedig, sondern auch ein wenig wie im amerikanischen New Orleans. Um das italienische Flair noch zu verstärken, wurden wir regelrecht vom Anblick der mediterranen Köstlichkeiten entlang der Arkadenreihen angelockt.
Einkehrtipp: Besonders gut lässt es sich im Restaurant “Le Rialto” aushalten. Vorausgesetzt man erwischt noch einen freien Tisch, denn um die Mittagszeit sind die schattigen Plätze begrenzt und sehr gut besucht. Bei einer saftigen Pizza oder einem knackigen Sommersalat kann man hier das bunte Treiben unterhalb der Hauptbrücke am besten erleben. Hin und wieder flitzt ein Boot über den Wasserkanal und lässt einen kaum glauben, dass man sich gerade in Südfrankreich befindet. Für unser kleines Lunch zahlten wir inklusive Getränke rund 30,00€.
Wer Port Grimaud lieber vom Wasser aus erleben möchte, kann sich auch den geführten Bootstouren anschließen oder bucht sich selbst beim Verleih ein Elektroboot.
Achtung: Auch wenn die kühle Meeresbrise und die brütende Hitze zum Ausziehen verleitet, solltet ihr unbedingt unterwegs auf den Straßen darauf achten, nicht “oben ohne” herumzulaufen! Badekleidung ist hier nur am Strand erlaubt und steht sonst unter Strafe!
Port Grimaud ist nicht nur für Wassersportler und Bootsliebhaber einen Abstecher wert, sondern auch ein Muss für all diejenigen, die sich in eine andere Welt versetzen lassen möchten. Wer sich gerne nur zu Fuß auf gepflegten, verkehrsberuhigten Straßen und charmanten Brücken bewegen möchte und dabei das venezianische Flair liebt, ist hier goldrichtig!